Ja, das waren noch Zeiten! Fußballer Erwin Bertram und Turner Wilhelm Blume kommen schon ein bisschen ins Schwärmen, wenn die Erinnerungen in die "gute alte Zeit" zurückwandern.

"Sonntag für Sonntag zweihundert Zuschauer" erinnert sich Erwin an die Zeit vor dem Krieg, "und jeder zahlte 50 Pfennig Eintritt - das war eine Menge Geld." Auch heute ist der 84jährige natürlich bei jedem Heimspiel seines Vereins auf dem Platz, und nicht etwa, weil er als Ehrenmitglied freien Eintritt hat. Er ist halt TSVer, seit er als Jugendlicher in den Verein eintrat.

Nach seiner aktiven Zeit war der gelernte Dachdecker viele Jahre lang Platzkassierer; einer, an dem kaum jemand ohne Bezahlung vorbeikam. Er kannte alle Tricks. Jahrzehntelanger Hit: Einer kauft eine Karte und gibt sie durch den Zaun an den nächsten weiter. Doch der hatte bei Erwin und seinem Gedächtnis keine Chance.

Treu geblieben ist der Fußballer auch seiner Zigarettenmarke: "Eckstein, weil sie schmeckt und weil sie grün-weiß ist", lächelt er verschmitzt.

Weniger gute Erinnerungen ans Rauchen hat Wilhelm Blume. Der wurde nämlich von seinem Vater erwischt, als er als "Halbstarker" mit Freunden auf der Straße "eine durchzog", wie man heute sagen würde. Wilhelms Vater, ein alter Turner und gut einen Kopf kleiner als sein Sohn, unterbrach nur kurz seinen gewohnten Abendspaziergang, holte wortlos aus... und Wilhelm inklusive Zigarette fanden sich in der Gosse wieder.

Zuschauergunst

Wie die Fußballer, so waren auch die Turner nie um Publikum verlegen, denn Schöppenstedt stellte eine der besten Mannschaften Norddeutschlands. Praktisch an jedem Sonntagmorgen gab es "Kürturnen" in einem anderen Saal in den Dörfern und Ortschaften rund um Schöppenstedt. Manchmal ging es sogar nach Wolfenbüttel oder Schladen - mit dem Fahrrad. Besonders gern radelte man nach Braunschweig zum dortigen MTV. Der verfügte nämlich nicht nur über eine sehr moderne Halle, sondern hatte auch Umkleideräume mit Duschen. Zehn Minuten Duschen - dafür war kein Weg zu weit!

Bei den Fußballern war dagegen mehr die "Freiluft-Variante" üblich: Der Bach neben dem alten Fußballplatz "An der Bahn" (wo sich heute die Tennisspieler betätigen) sorgte nicht nur für Erfrischung, sondern auch für die umgehende Körperpflege nach dem Spiel. Und damit Trikot und Hose bei jedem Spiel tiptop aussahen, sammelte der Betreuer die Sachen nach dem Spiel ein und brachte sie zum nächsten Wettkampf wieder frisch gewaschen und, wenn nötig auch gestopft, mit - gegen 30 Pfennige Gebühr. Ob dieses Geld seiner Frau zugute kam, die keine Waschmaschine, aber die Hauptarbeit hatte, ist nicht überliefert.

Für die Fußballer war es nicht nur eine Ehre, in der Mannschaft zu spielen. Es hatte auch beachtliche sportliche Vorteile, denn es wurde in richtigen Lederstiefel gespielt - nicht wie sonst in fest verschnürten Holzpantinen. Da nahm man schon gerne in Kauf, dass von den Spielern vor dem Spiel zunächst das Gras gemäht werden musste. Und wer nicht die Sense schwang, der war zum Platzdienst eingeteilt, kreidete das Spielfeld ab und stellte die Fahnen auf.

Hartes Training

Trainiert wurde in der Regel einmal pro Woche. Und eines war selbstverständlich: Wer auch nur einmal nicht zum Training erschien, war raus aus der Mannschaft. Nicht ganz so streng sah man dagegen die Position im Spiel. Erwin Bertram erinnert sich daran, sogar einmal - für zehn Minuten - im Tor gestanden zu haben. Eigentlich war er Verteidiger, hin und wieder aber auch Stürmer. Auslöser für Positionswechsel in einem Spiel waren meist Verletzungen. Auswechselspieler kannte man nicht.

Das Training selber war nicht so ausgefeilt wie heutzutage, dafür aber um so anstrengender, besonders bei Regenwetter. Dann sog sich der Lederball mit Wasser voll und war, so Erwin "schwer wie eine Kanonenkugel". Besonders unangenehm für diejenigen, die "bergauf spielen mussten. Auf einhundert Meter Länge hatte der alte Platz immerhin 1,5 Meter Gefälle.

Auch die Turner hatten aus heutiger Sicht recht abenteuerliche Trainingsbedingungen. Als wesentliche Verbesserung wurde der Bau der Turnhalle (der heutigen Eulenspiegelhalle) gefeiert. Nun musste man nicht mehr im Saal einer Gaststätte die Geräte auf- und abbauen. Außerdem wurde das Unfallrisiko dadurch wesentlich vermindert, dass man bei einem Fehlgriff an Reck oder Barren nicht mehr auf den harten Tanzboden knallte, sondern auf schöne weiche Sägespäne fiel.

Bemerkenswert ist sicherlich, welche großartigen Leistungen unter solchen Bedingungen erbracht wurden - ohne wissenschaftliche, medizinische oder chemische Begleitung. Wilhelm Blume aus Schöppenstedt jedenfalls stand 1936 bei den Olympischen Spielen in Berlin in der deutschen Geräteturnmannschaft und belegte mit ihr den fünften Platz.

Ja, die gute alte Zeit... Erwin Bertram fehlt heute der Zusammenhalt, der den Sport zu seiner Zeit prägte: "Heute kommen die Spieler, jeder für sich, zum Spiel, aber sie kommen nicht wirklich zusammen. Vielleicht ist das auch der Grund, warum die Zuschauer wegbleiben."

Für Wilhelm Blume dagegen hat sich im Wesen nicht viel geändert. Viele Menschen erwarteten Anweisungen, sonst unternähmen sie nichts. Außerdem werde der Sport oft auch nicht ernst genug genommen: "Mit Spielerei allein war und ist im Sport wie im Leben nichts zu erreichen."